Igel gelten bei uns zwar nicht als gefährdete, aber doch als besonders geschützte Tierart, denn die Lebensräume schrumpfen und auf die kleinen Stachler lauern allerlei Gefahren: Mähroboter, Autos und Gift sind dabei noch die offensichtlichsten, aber oft finden sie schlichtweg auch keine Nahrung mehr. Vor allem Letzteres ist keine gute Voraussetzung für den Winterschlaf. Doch es gibt Menschen, die diese Igel aufnehmen, aufpäppeln, durch den Winter bringen und dann… ja und dann? Dann müssen bis zum Frühjahr wilde Gärten gefunden werden, in denen die Igel nach dem Winterschlaf gut starten und ausgewildert werden können. Denn die Freilassung von Wildtieren ist Pflicht.
Einer dieser gefundenen Gärten durfte im Frühjahr 2023 meiner sein und ich war gespannt, wie eine Igelauswilderung abläuft.
Das ist die Geschichte von Pia.
Wichtig: Ich habe zum ersten Mal einen Igel ausgewildert. Ich bin kein Profi. Ich erzähle nur von meinen Erlebnissen, Erklärungen der Igelnothilfe und wie ich vorgegangen bin. Solltet ihr in der Situation sein, einen kranken Igel gefunden zu haben, dann ruft bitte bei einer Online-Igelnothilfe an, es gibt da viele Angebote und sie kennen sich am besten mit den Tieren aus.
Am 14. Dezember 2022 bekam ich eine Nachricht auf mein Smartphone. Meine Kollegin hatte eine Anzeige am schwarzen Brett einer Tierarztpraxis fotografiert und dazugeschrieben „Ist das nichts für dich?“. Die Anzeige trug die Überschrift „Naturnahe Gärten gesucht“ und darunter die Erklärung, dass Gärten für die Igelauswilderung gesucht werden. Meinen Garten gestalte ich sowieso nach und nach von einer grünen Wiese zu einem naturnahen Garten um, also warum nicht mal fragen, ob mein Garten schon bereit für eine Igelauswilderung ist? So rief ich die angegebene Nummer an.
Das Gespräch verlief sehr positiv: Mir wurde erklärt, was ich benötige und wie die Auswilderung abläuft, ich wiederum habe erklärt was ich für Voraussetzungen habe. Ein paar Tage später wurde mein Garten besichtigt und für igelauswilderungswürdig befunden.
Was benötigt man?
Der Garten
Einen Garten braucht man, soviel ist klar. Er sollte Strukturen aufweisen und dem Igel Versteckmöglichkeiten bieten. Bei mir ist das eine kleine Benjeshecke, eine Rotbuchenhecke am Bach, hohes Gras, Totholz, Steine und ja, auch hohes Unkraut.
Bei Teichen mit stark abfallendem Rand sollte man ein Brett oder einen großen Zweig ins Wasser und über den Teichrand legen: Igel können zwar schwimmen, doch es bringt ihnen nichts, wenn sie keine Möglichkeit zum Ausstieg finden.
Nach der Auswilderung sollte man außerdem vor dem Mähen von hohem Gras immer die Fläche abgehen um sicher zu gehen, dass es sich der Igel (oder auch ein anderer) dort nicht in einer Kuhle gemütlich gemacht hat.
Ein igelfreundlicher Garten ist toll, eine Auswilderung auch, aber: Dies sollte man nicht mit der Intention tun, dass man eine natürliche Möglichkeit gefunden hat den Schneckendruck vom Blattsalat zu nehmen! Igel sollen Käfer und andere Insekten fressen. Sie fressen auch mal Schnecken und Würmer, allerdings können sie sich damit Lungenwürmer einhandeln, die dann das bekannte Husten bei Igeln auslösen und unbehandelt zum Tod des Igels führen.
Deshalb: Etwas für Käfer & Co. tun und Schnecken weiter selbst absammeln!
Das Gehege
Die Dimension sollte bei etwa zwei mal zwei Meter liegen und einer Höhe von 60 Zentimetern, da Igel sehr erkundungsfreudig sind. Das Gehege sollte unterbuddelsicher (Fachterminus 😉 ) sein, dies kann man zum Beispiel mit Brettern bewerkstelligen, die man innen entlang der Gehegewände legt. Das alles kann provisorisch sein und auch so aussehen, es muß nur etwa 14 Tage halten. Ich habe mich für Grobspanplatten (die natürlich eigentlich auch nicht für draußen geeignet sind) für die Gehegewände entschieden und der Unterbuddelschutz bestand aus Verbundpflastersteinen.
Futter- und Schlafhaus sollten mind. 30 cm Abstand zu den Gehegewänden haben wenn das Gehege kein Dach hat, denn Igel können durchaus etwas klettern, also sollte man aufpassen, keine Fluchttreppe zu bauen.
Das gesamte Gehege stand bei mir an der im Süden stehenden Eibenhecke vom Nachbarn, so bekam das Gehege morgens Sonne und lag ab Mittag im Schatten.
Das Futterhaus
Der Igel hat Hunger und bekommt deshalb extra ein Haus. Vor allem aber, damit keine Katzen oder anderen Tiere dem Igel zuvorkommen. Das Futterhaus hat zwei Eingänge mit Rattenklappen, hinter denen es sofort um die Ecke geht, damit z.B. Katzen nicht nach dem Futter angeln können. Zwei Eingänge sind wichtig, denn sollten sich mal zwei Igel im Haus begegnen, dann gibt es immer eine Fluchtmöglichkeit. Aber wie können sich denn zwei Igel in dem Gehege begegnen? Nach etwa 14 Tagen wird das Gehege entfernt, Schlaf- und Futterhaus bleiben aber stehen. Igel prägen sich ihre Umgebung ein und können auch ohne Gehege wieder zu Schlaf- und Futterstelle zurückfinden. Das bedeutet, dass man auch nach der „Freilassung“ weiter Futter anbietet, das bedeutet aber auch, das theoretisch weitere Igel das Futterhaus finden können.
Bei Futter- und Schlafhaus sind natürlich die Deckel abnehmbar. Beide Immobilien konnte ich gegen eine kleine Aufwandsentschädigung von der Igelnothilfe bekommen, man kann sie aber auch leicht selbst bauen. Anleitungen mit den passenden Maßen findet man im Internet.
Das Schlafhaus
Fehlt noch das Schlafhaus. Es ist im Grunde ein halbes Futterhaus, hat also nur einen Eingang – auch hier geht es nach der Rattenklappe gleich um die Ecke, dann folgt ein offener Raum der mit Stroh gefüllt wird.
Wasser und Futter
Den Futterraum legt man mit einer Lage Zeitungspapier aus. Auf die Zeitung stellt man einen Napf mit Wasser und einen mit Trockenfutter für Katzen. Dieses sollte einen Proteingehalt von mindestens 60% aufweisen. Ich habe auch mal „schlotziges“ Rührei angeboten.
Die Näpfe sollten auch Katzenniveau haben, so wie dieser hier* zum Beispiel.
Wichtig: Keine Milch geben, nur Wasser!
Wie läuft die Igelauswilderung ab?
Einchecken
Nachdem Pia bei der Igelnothilfe erwacht war, blieb sie dort noch einen Tag, damit sie begutachtet werden konnte. Da sie soweit fit war, kam sie schließlich am 05. Mai 2023 mit 752 Gramm zu mir. Ich hatte das Gehege soweit vorbereitet, lediglich das Schlafhaus wurde noch mit Stroh befüllt. Dann durfte die Igelin durch die kleine Klappe ins Stroh laufen und es sich gemütlich machen. Das Futterhaus wurde mit Zeitungspapier ausgelegt und ich stellte Wassernapf und Futternapf hinein. Das Zeitungspapier dient zur Aufnahme der „Igellosung“ und sollte täglich gewechselt werden. Einen zweiten Wassernapf stellte ich direkt in das Gehege, denn es konnte ja sein, dass Pia nicht gleich den Weg ins Futterhaus findet und Wasser ist wichtiger als Futter.
Routine
So war es dann auch. Nach der ersten Nacht war der Futternapf unberührt. Pia muß aber aktiv gewesen sein, denn es waren Laufspuren im hohen Gras zu erkennen. Zum Glück hatte ich eine Wildkamera aufgestellt und konnte im Nachhinein sehen, wie sie ihre Runden drehte.
Nach der zweiten Nacht fand ich dann einen durchwühlten Futternapf und ein paar Hinterlassenschaften auf dem Zeitungspapier vor. Es wurde!
Da die kleinen Stacheltiere nachtaktiv sind, habe ich immer erst am frühen Abend das Zeitungspapier gewechselt, frisches Wasser aufgefüllt und neues Futter bereitgestellt. Das sollte meine Routine für die nächsten zwölf Tage sein. Zwischendurch gab es immer Mal Support von der Igel-Nothilfe via Messenger. Gar nicht so wild, so eine Igelauswilderung.
Auschecken
Am elften Tag bekam ich dann die Nachricht, ich solle Pia am nächsten Tag einmal wiegen, davon ein Foto machen und dieses schicken. Ich nahm mir also Arbeitshandschuhe, öffnete das Schlafhaus und entfernte Hand für Hand das Stroh, bis zwischen den Halmen die ersten Stachel zu sehen waren. Vorsichtig schob ich meine Hand unter den Igel und legte ihn auf die Waage: 789 Gramm.
Die Antwort auf mein Igel-Waage-Bild war, dass ich am nächsten Abend das Gehege öffnen sollte, Pia wäre bereit für die Freiheit!
So schraubte ich an einer Ecke die Winkel ab, die das Gehege zusammenhielten und zog die mittlerweile gut vom Gras eingewachsenen Holzplatten so auseinander, dass ein etwa 15 Zentimeter breiter Spalt entstand.
Diesen nutzte Pia auch direkt in der folgenden Nacht.
Der Futternapf war am nächsten Morgen unberührt.
Wie schon oben geschrieben, bleiben Schlafhaus und Futterhaus jetzt so stehen und ich biete weiter Futter an, denn es kann sein, dass Pia erstmal auf Erkundungstour geht, dann aber wiederkommt.
An dieser Stelle auch noch vielen Dank an „meine“ Igelnothilfe!
Du willst auch helfen oder kannst dir vorstellen einen Igel auszuwildern? Dann suche doch mal im Internet nach einem Kontakt zu einer Igel-Nothilfe in der Nähe und frage dort nach der Möglichkeit der Igelauswilderung nach!
Du hast einen kranken Igel gefunden oder weißt nicht, ob er krank ist? Auch hier hilft die Igelnothilfe adäquat weiter, da diese sich am besten mit den Tieren auskennen. Auch online findet man erste Antworten, einige Anlaufstellen und Notrufnummern.
Wenn du wissen willst, wie du Wildbienen mal anders helfen kannst, dann lies doch gerne meinen Beitrag zu meinem Sandarium: hier gehts zum Beitrag.
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